Maja Serafin

Vermögensabschöpfung – zwischen Effektivität und Rechtsstaatlichkeit


In Kriminalitätsbereichen wie organisierter Kriminalität, Terrorismus oder Korruption spielt das Vermögen eine wichtige Rolle, einerseits als Anreiz, schwere Straftaten zu begehen, andererseits, weil es zu deren Finanzierung eingesetzt wird. In diesen Bereichen muss die staatliche Reaktion neben der Strafe auch vermögensrechtliche Folgen der Tat umfassen. Da es sich dabei oft um eine Reaktion auf grenzüberschreitende Kriminalität handelt, ist es notwendig, auf internationaler Ebene zu agieren. Dort wurden in den letzten Jahren zahlreiche Vermögensabschöpfungsmaßnahmen zur Bekämpfung der genannten Kriminalitätsbereiche geschaffen. Dabei kann von einer zweispurigen Entwicklung gesprochen werden: Zum einen wurden Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität und Korruption eingeführt, bei denen die Anforderungen an den Nachweis der kriminellen Herkunft des Vermögens reduziert sind. Zum anderen – und dies hat sich aus der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung entwickelt – werden präventive Maßnahmen ausgebaut.

Die Entwicklung der Vermögensabschöpfung auf internationaler Ebene beeinflusst auch die nationalen Rechtsordnungen. Trotz dieser gemeinsamen Prägung unterscheiden sich die nationalen Regelungen voneinander. Im Rahmen des Projekts werden Vermögensabschöpfungsmaßnahmen in der deutschen und der polnischen Rechtsordnung verglichen. Die einzelnen Maßnahmen sind an unterschiedlichen Stellen in die jeweiligen Sanktionensysteme der beiden Länder eingebettet. In vielen Fällen wird ihnen überhaupt kein Strafcharakter zugeschrieben, wie z.B. der erweiterten oder der selbständigen Einziehung im deutschen Recht. Die Untersuchung erfasst Vermögensabschöpfungsmaßnahmen, die einen staatlichen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellen, der entweder den Eigentumsübergang auf den Staat zur Folge hat oder eine Zahlungspflicht des Betroffenen begründet. Der Schwerpunkt liegt auf den Voraussetzungen für die Bestimmung der Verbindung zwischen dem Vermögensgegenstand und einer rechtswidrigen Tat. Die Beweiserleichterungen werden den verfassungsrechtlichen Einschränkungen gegenübergestellt. Ziel des Vergleichs ist die Beantwortung der Frage, an welcher Stelle der Wunsch der Strafverfolgungsbehörden nach einer effektiven Vermögensabschöpfung auf eine verfassungsrechtliche Grenze trifft.

Auf der Suche nach einer Antwort können zwei unterschiedliche Herangehensweisen verfolgt werden. Der erste Ansatz versucht, die Grenzziehung durch die Rechtsnatur der Vermögensabschöpfung zu begründen. Für den zweiten hingegen ist die Vermögensabschöpfung ein Grundrechtseingriff, der unabhängig von seiner Rechtsnatur am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. Obwohl die Rechtsnatur der Vermögensabschöpfung in der Wissenschaft bereits umfassend diskutiert wurde, besteht diesbezüglich keine Einigkeit. Dies mag u.a. daran liegen, dass die verschiedenen Ansätze zur Rechtfertigung der Vermögensabschöpfung vermischt und nicht ausreichend differenziert wurden. Im Hinblick darauf kann eine Sichtweise, die von der Bestimmung der Rechtsnatur der Maßnahme absieht, die Diskussion um die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vermögensabschöpfung weiterbringen. Die durch die Frage nach dem Strafcharakter der Maßnahmen dominierte Wissenschaft könnte den Eindruck hervorrufen, dass erst dann an einem Grundrechtseingriff etwas zu beanstanden ist, wenn es sich um eine Strafe handelt. Im Rahmen der Arbeit wird dies hinterfragt und es wird überprüft, welche verfassungsrechtlichen Einschränkungen für die Gesetzgebung in diesem Bereich gelten können. Im Hinblick auf die neueste Gesetzgebung zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Deutschland und Polen gewinnt dieses Thema wieder an Aktualität.

Maja Serafin
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Maja Serafin wurde in Złotoryja (Goldberg), Polen, geboren. Ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Jagiellonen-Universität in Krakau absolvierte sie im September 2012.

Im November 2015 schloss sie ein postgraduales Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Erwerb des Titels „Magister Legum“ (LL.M) ab. Ihr Studium wurde durch das Deutschlandstipendium gefördert. Während des Studiums arbeitete sie als studentische Hilfskraft im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Referat für Wirtschaftsstrafrecht.

Seit 2015 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Otto-Hahn-Gruppe „Architektur des Sicherheitsrechts“. Sie promoviert zum Thema Vermögensabschöpfung – zwischen Effektivität und Rechtsstaatlichkeit.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im September 2017.