Pablo Castillo Montt

Die strafrechtliche Behandlung der Sterbehilfe im deutschen und chilenischen Recht


Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 222 Seiten; Berlin 2019
  • ISBN: 9783428156252
  • Preis: 69,90 EUR

In Deutsch­land und Chile steigt die Nach­fra­ge nach Ster­be­hil­fe stän­dig. Die Her­an­ge­hens­wei­se des Straf­rechts an das Thema ist in bei­den Län­dern stark re­pres­siv und wird den ge­sell­schaft­li­chen Be­dürf­nis­sen nicht immer ge­recht, so­dass in den kom­men­den Jah­ren eine Zu­spit­zung der Pro­ble­ma­tik zu er­war­ten ist.

Die Ar­beit ana­ly­siert, in­wie­fern die bis­he­ri­ge – ins­be­son­de­re in Chile – sehr re­strik­ti­ve Re­ge­lung le­gi­tim und kri­mi­nal­po­li­tisch sinn­voll ist. Auf­grund der fort­ge­schrit­te­nen Dis­kus­si­on in Deutsch­land stellt sich au­ßer­dem die Frage, ob die dor­ti­ge Re­ge­lung ein­schließ­lich ihrer rechts­theo­re­ti­schen Grund­la­gen als Vor­bild für das chi­le­ni­sche Mo­dell die­nen könn­te. Schließ­lich wer­den Richt­li­ni­en für eine künf­ti­ge Ster­be­hil­fe­re­ge­lung aus­ge­ar­bei­tet. Die funk­tio­nal-rechts­ver­glei­chen­de Un­ter­su­chung be­ginnt mit einer Dar­stel­lung der na­tio­na­len ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen und des an­wend­ba­ren „Ster­be­hil­fe­rechts“ unter Ein­be­zie­hung der dafür ent­wi­ckel­ten Rechts­dog­ma­tik und Recht­spre­chung und deckt das je­weils zu­grun­de lie­gen­de Rechts­den­ken und seine Evo­lu­ti­on auf. Zudem wird eine Quer­ana­ly­se bei­der Län­der durch­ge­führt und als Grund­la­ge für rechts­po­li­ti­sche Über­le­gun­gen her­an­ge­zo­gen.

Im Er­geb­nis zeigt sich, dass das Ver­ständ­nis des Grund­rechts auf Leben in den bei­den Län­dern zu un­ter­schied­li­chen Ein­stel­lun­gen zur Ster­be­hil­fe führt. Die deut­sche frei­heits­ori­en­tier­te Auf­fas­sung ver­neint rein staat­li­che (bzw. vom Grund­rechts­trä­ger los­ge­lös­te) An­sprü­che be­züg­lich der Er­hal­tung des Le­bens und lässt die Re­ge­lung der Ster­be­hil­fe in­ner­halb der ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen offen. Chile sta­tu­iert hin­ge­gen die Ver­pflich­tung des Staa­tes zum un­ein­ge­schränk­ten Schutz des Le­bens „an sich“ – ohne Rück­sicht auf den Wil­len des Grund­rechts­trä­gers –, was das kri­mi­nal­po­li­ti­sche Hand­lungs­spek­trum des Ge­setz­ge­bers ein­schränkt.

In Bezug auf die ak­ti­ven For­men der ärzt­li­chen Ster­be­hil­fe zei­gen beide Län­der eine de­zi­diert ver­bie­ten­de Ten­denz, je­doch mit un­ter­schied­li­chen Aus­gangs­punk­ten. In Deutsch­land – wo die Tö­tung auf Ver­lan­gen ge­ne­rell straf­bar ist und in Bezug auf Sui­zid­bei­hil­fe Rechts­un­si­cher­heit herrscht – ist Straf­grund der Be­tei­li­gung an einer Selbst­tö­tung die abs­trak­te Ge­fähr­lich­keit des Ver­hal­tens. Da­ge­gen fußt die aus­nahms­lo­se Straf­bar­keit der Tö­tung auf Ver­lan­gen und der Sui­zid­bei­hil­fe in Chile auf der Un­ver­füg­bar­keit des Le­bens.

Grö­ße­re Un­ter­schie­de gibt es im Be­reich des Be­hand­lungs­ver­zichts. Wäh­rend in Deutsch­land die Pa­ti­en­ten­au­to­no­mie nor­ma­tiv stark ge­si­chert ist und bei Ent­schei­dungs­un­fä­hig­keit die Er­mitt­lung und Durch­set­zung des Pa­ti­en­ten­wil­lens ver­fah­rens­recht­lich kon­trol­liert wird, be­güns­tigt die nor­ma­tiv un­zu­rei­chend ver­an­ker­te Pa­ti­en­ten­au­to­no­mie in Chile einen auf­ge­dräng­ten Le­bens­schutz. Dar­über hin­aus fehlt in Chile eine um­fas­sen­de Re­ge­lung der ärzt­li­chen Be­hand­lung bei Ein­wil­li­gungs­un­fä­hig­keit und somit Rechts­si­cher­heit für Pa­ti­en­ten und Ärzte. Der deut­sche frei­heit­li­che und auf Ver­mei­dung von Ge­fah­ren aus­ge­rich­te­te An­satz wird er­wie­se­ner­ma­ßen den bei­den Rechts­sys­te­men ge­mein­sa­men staats­theo­re­ti­schen Grund­la­gen ge­recht und emp­fiehlt sich als ge­eig­ne­tes Mo­dell für eine dog­ma­ti­sche Kor­rek­tur des chi­le­ni­schen Ster­be­hil­fe­rechts. Das deut­sche po­si­ti­ve Ster­be­hil­fe­recht er­scheint je­doch frag­men­tiert und lü­cken­haft und soll­te folg­lich nicht un­kri­tisch als Vor­bild über­nom­men wer­den.

Die rechts­po­li­ti­schen Über­le­gun­gen ver­deut­li­chen die Not­wen­dig­keit von in­sti­tu­tio­na­li­sier­ten Ster­be­hil­fe­mög­lich­kei­ten. Zur Ver­ein­ba­rung der grund­recht­li­chen An­sprü­che auf Ster­be­hil­fe und der staat­li­chen Le­bens­schutz­pflicht wird des­halb ein Sys­tem vor­ge­schla­gen, das die Ster­be­hil­fe zwar grund­sätz­lich ver­bie­tet, dabei aber auch ein stren­ges Aus­nah­me­ver­fah­ren vor­sieht.

Pablo Castillo Montt

Pablo Cas­til­lo Montt wurde in San­tia­go de Chile ge­bo­ren. 2002 nahm er sein Stu­di­um an der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­dad Adol­fo Ibáñez auf. Die­ses schloss er 2008 ab und war bis 2011 in Straf- und Zi­vil­sa­chen tätig.

Von 2012 bis 2014 nahm er am LL.M.-Pro­gramm der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Frei­burg teil, wel­ches er mit einer Ma­gis­ter­ar­beit über die Straf­bar­keit der Bei­hil­fe durch neu­tra­les Ver­hal­ten be­en­de­te. Sein LL.M-Stu­di­um und seine Pro­mo­ti­on wur­den von der Co­mi­sión Na­cio­nal de In­ves­ti­ga­ción Científica y Tec­nológica der chi­le­ni­schen Re­gie­rung (CO­NI­CYT) ge­för­dert.

Die Auf­nah­me in die Re­se­arch School er­folg­te im Jahr 2017. Im Fe­bru­ar 2018 schloss er seine Dis­ser­ta­ti­on ab.

Dis­ser­ta­ti­ons­be­treu­er:
Prof. Dr. Wal­ter Per­ron