Dr. Gonzalo García Palominos

Die Informationsstörung als Grundstein des Kapitalmarktstrafrechts

Zurechnungsstruktur und Unrechtsbegründung bei Informationsdelikten im deutschen und chilenischen Kapitalmarktrecht

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Das chi­le­ni­sche wie das deut­sche Ka­pi­tal­markt­straf­recht be­stra­fen so­wohl die fal­sche Dar­stel­lung, die un­rich­ti­ge An­ga­be oder das Ver­schwei­gen von er­heb­li­chen Tat­sa­chen für den Ka­pi­tal­markt als auch die Ma­ni­pu­la­ti­on der Prei­se durch fal­sche In­for­ma­ti­on und die Ver­wen­dung von In­si­der­infor­ma­tio­nen. All­ge­mei­nes Ver­bin­dungs­glied die­ser Tat­be­stän­de ist die In­for­ma­ti­ons­stö­rung. Der Zu­sam­men­hang zwi­schen der Natur der In­for­ma­ti­on und ihren Auf­ga­ben im Ka­pi­tal­markt lie­fert für das Straf­recht die Leit­kri­te­ri­en zur Be­ant­wor­tung der Frage, ob und wel­che Rechts­gü­ter durch die In­for­ma­ti­ons­stö­rung be­ein­träch­tigt wer­den und wie diese als In­for­ma­ti­ons­de­lik­te zu struk­tu­rie­ren sind. Im Kern geht es dabei um die Be­stim­mung der So­zi­al­schäd­lich­keit, der Pö­na­li­sie­rungs­be­grün­dung und der Zu­rech­nungs­struk­tur. Über­ge­ord­ne­tes Ziel die­ser Ana­ly­se ist es fest­zu­stel­len, ob die Mo­del­le der straf­recht­li­chen Re­gu­lie­rung des Ka­pi­tal­markts durch In­for­ma­ti­ons­de­lik­te im Ein­klang mit der Schutz­funk­ti­on und den Prin­zi­pi­en des Straf­rechts ste­hen, wie im Kon­zept die­ser In­for­ma­ti­ons­de­lik­te die Vor­aus­set­zung der So­zi­al­schäd­lich­keit er­füllt wird und/oder ob ein be­son­de­res Le­gi­ti­ma­ti­ons­kri­te­ri­um für die Schaf­fung die­ser De­lik­te ent­wi­ckelt wer­den muss. For­schungs­ge­gen­stand des Dis­ser­ta­ti­ons­pro­jekts sind dabei ins­be­son­de­re der Ka­pi­tal­an­la­ge­be­trug, der In­si­der­han­del und die Markt­preis­ma­ni­pu­la­ti­on.

For­schungs­ziel ist es, die Be­zie­hung zwi­schen der In­for­ma­ti­on und der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Ka­pi­tal­markts sowie zwi­schen der In­for­ma­ti­on und der Be­wah­rung der in­di­vi­du­el­len An­le­ger­inter­es­sen zu un­ter­su­chen, um dar­aus Schluss­fol­ge­run­gen für die Be­stim­mung der So­zi­al­schäd­lich­keit be­stimm­ter Ver­hal­tens­wei­sen (Rechts­gut) und der Zu­rech­nungs­struk­tur (z.B. Vor­be­rei­tungs-, Ku­mu­la­ti­ons­de­lik­te usw.) zu zie­hen. Zudem wird er­läu­tert, wie das Un­recht die­ser Tat­be­stän­de be­grün­det und be­stimmt wird. Die Er­geb­nis­se des ver­glei­chen­den Teils der Un­ter­su­chung zei­gen, dass die Ori­en­tie­rung des deut­schen und des chi­le­ni­schen Ka­pi­tal­markt­straf­rechts auf be­son­de­ren In­ter­ak­ti­ons­pro­zes­sen am Ka­pi­tal­markt i.e.S. und i.w.S. grün­det, die sich nicht auf fi­du­zi­a­ri­sche oder bi­la­te­ra­le Be­zie­hun­gen be­gren­zen las­sen. Das deut­sche und das chi­le­ni­sche Straf­recht haben al­ler­dings ver­schie­de­ne Lö­sungs­stra­te­gi­en ent­wi­ckelt, die sich beide an kol­lek­ti­ven Rechts­gü­tern – ins­be­son­de­re dem Funk­ti­ons- und Ver­trau­ens­schutz – ori­en­tie­ren. Beide Mo­del­le zei­gen aber wich­ti­ge Le­gi­ti­ma­ti­ons­de­fi­zi­te. Die Le­gi­ti­ma­ti­ons­pro­ble­ma­tik der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Ka­pi­tal­markts als Rechts­gut ist darin be­grün­det, dass diese all­ge­mei­ne Funk­ti­ons­fä­hig­keit auf einem Mo­dell bzw. Ide­al­bild fern­ab der Wirk­lich­keit ba­siert. Dem­ge­gen­über be­steht das Le­gi­ti­ma­ti­ons­de­fi­zit des Ver­trau­ens­schut­zes darin, dass die­ser zu einem dif­fu­sen (ent­ma­te­ria­li­sier­ten) Rechts­guts­kon­zept führt, das dem kri­ti­schen Po­ten­zi­al der So­zi­al­schäd­lich­keits- und Rechts­guts­theo­rie nicht ge­recht wird.

Aus­ge­hend von dem Grund­satz, dass Tat­hand­lung und Rechts­gut weder bei der Kri­mi­na­li­sie­rung noch bei der Tat­be­stands­an­wen­dung be­zie­hungs­los ne­ben­ein­an­der­ste­hen dür­fen, son­dern sich die So­zi­al­schäd­lich­keit erst aus dem Zu­sam­men­hang zwi­schen Tat­hand­lung und Rechts­gut er­gibt, kön­nen ver­hält­nis­mä­ßi­ge Ein­grif­fe des Straf­rechts in den Ka­pi­tal­markt nicht mit der all­ge­mei­nen Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Ka­pi­tal­markts oder dem Ver­trau­en in diese Funk­ti­ons­fä­hig­keit be­grün­det wer­den. Das vom deut­schen und chi­le­ni­schen Ka­pi­tal­markt­straf­recht vor­ge­schla­ge­ne Rechts­gut „Ver­trau­en in ir­gend­et­was“ kann nur dann ein ech­tes Rechts­gut sein, wenn die kon­kre­ten Funk­ti­ons­ein­hei­ten als Ver­trau­ens­ge­gen­stand In­for­ma­ti­ons­in­hal­te oder In­for­ma­ti­ons­pro­zes­se be­stä­ti­gen und ge­währ­leis­ten, die we­sent­lich für die Frei­heits­aus­übung sind.

Dr. Gonzalo García Palominos

Dr. Gon­za­lo García Pa­lo­mi­nos wurde in San­tia­go de Chile ge­bo­ren. Von 1993 bis 1999 stu­dier­te er Jura an der Na­tio­na­len Uni­ver­si­tät Andrés Bello in San­tia­go de Chile. Er ab­sol­vier­te 2001 das ju­ris­ti­sche Staats­ex­amen in San­tia­go de Chile und schloss sein Stu­di­um im sel­ben Jahr mit dem Er­werb des Ti­tels „Li­cen­cia­do en Ci­en­ci­as Jurídicas“ ab. 2008 er­hielt er den Titel „Ma­gis­ter Legum“ (LL.M.) an der Uni­ver­si­tät Frei­burg.

Von 1995 bis 1998 war er Pro­jekt­lei­ter bei der Jus­ti­cia-y-De­mo­cra­cia-Stif­tung. Als Rechts­an­walt der Na­tio­nal­di­rek­ti­on war Gon­za­lo García in den Jah­ren 2002/2003 im Ser­vicio Na­cio­nal de Me­no­res (SE­NA­ME = Or­ga­ni­sa­ti­on zum Schutz Ju­gend­li­cher Straf­tä­ter) in San­tia­go de Chile tätig. Da­nach ar­bei­te­te er bis 2005 als Rechts­an­walt in der Rechts­ab­tei­lung bei Lag­ar­ge S.A., San­tia­go de Chile.

Seit März 2005 ist Gon­za­lo García Sti­pen­di­at der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung und seit 2008 Pro­mo­ti­ons­stu­dent an der Uni­ver­si­tät Frei­burg. Die Auf­nah­me in die Re­se­arch School er­folg­te im Juni 2008, der Ab­schluss im Fe­bru­ar 2013.

Dis­ser­ta­ti­ons­be­treu­er:
Prof. Dr. Ro­land He­fen­dehl