Nelson Salazar Sánchez

Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen

Eine rechtsvergleichende Analyse des deutschen und spanischen Strafrechts unter besonderer Berücksichtigung der Pflichtdeliktslehre

In Deutschland und Spanien wird das Täter- und Teilnehmerunrecht durch einen Verstoß gegen Verhaltensnormen begründet, die straf- und verfassungsrechtlicher Natur sind und bestimmte Rechtspflichten auferlegen. Daher ist die konkrete Bestimmung dieser Rechtspflichten und der jeweiligen Zuständigkeit für ihre Verletzung zwingende Voraussetzung jeder normativen Begründung von Täterschaft und Teilnahme. Trotzdem stützt die in Deutschland und Spanien entwickelte Beteiligungslehre die Strafbarkeit von Täterschaft und Teilnahme auf die ontologische Kategorie der Tatherrschaft, gerade auch bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen. Obwohl dieses theoretische Zurechnungsmodell Schwierigkeiten hat, die täterschaftliche und/oder teilnehmerische Strafhaftung von Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitgliedern sowie von Außenstehenden auch in Fällen zu begründen, in denen die ontologischen Elemente nicht nachgewiesen werden können, ist es in der Rechtsprechung beider Länder aktuell weithin anerkannt.

Es gibt bislang keine strafrechtsvergleichende Studie – weder allgemein, noch für Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen – die im Rahmen des deutschen und spanischen Strafrechtssystems die Strafbarkeit von Täterschaft und Teilnahme auf Grundlage von normativen Elementen – und hier insbesondere anhand der jeweiligen Pflichtverletzung(en) – begründet, wie es die Pflichtdeliktslehre nahelegen würde. Deswegen ist es naheliegend und geboten, das deutsche und spanische System von Täterschaft und Teilnahme in diesem Bereich erstmals rechtsvergleichend und unter besonderer Berücksichtigung der Pflichtdeliktslehre zu analysieren. In diesem Zusammenhang sind sodann die Rechtsvorschriften des deutschen und des spanischen Strafgesetzbuchs und die strafrechtsspezifischen Vorschriften des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der spanischen Verfassung notwendiger Untersuchungsgegenstand. Denn gerade diese Rechtssätze legen über das ihnen zugrundeliegende Unrechtsverständnis fest, wer Täter und wer Teilnehmer einer Straftat ist bzw. sein kann.

Die Ziele dieses Forschungsvorhabens sind damit: a) die Ähnlichkeiten, die Unterschiede und die Unvereinbarkeiten der Beteiligungssysteme von Deutschland und Spanien aus einer Perspektive „de lege lata“ zu analysieren, um die dogmatische Begründung und Kohärenz der Beteiligungssysteme untereinander zu verbessern; b) ein dogmatisches Zurechnungsmodell auf Grundlage der Pflichtdeliktslehre zu entwickeln, welches im Rahmen des derzeit gültigen Strafrechts von Deutschland und Spanien zu einer normativ konsistenten Begründung aller Formen der Täterschaft und Teilnahme bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen führen kann; c) die verschiedenen Täterschafts- und Teilnahmeformen bei Kollektiventscheidungen in Wirtschaftsunternehmen zu bestimmen, welche sich aus den Vorschriften der deutschen und spanischen Strafgesetzbücher in Bezug auf die hier entwickelte normative Pflichtdeliktslehre ergeben.

Zur Erreichung der Ziele wird auf die in der Rechtswissenschaft anerkannten Methoden zurückgegriffen. Zwecks richtiger Interpretation der verfassungs- und strafrechtlichen Vorschriften werden zunächst die grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung herangezogen. Daneben wird vor allem auf die deutsche und spanische Rechtslehre zurückgegriffen, welche zu einer eindeutigen Erklärung der genannten Vorschriften beitragen. Dazu gehört sowohl eine Auseinandersetzung mit der sich mit Täterschaft und Teilnahme bei Wirtschaftsunternehmen befassenden Strafrechtslehre, als auch bestimmten rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Ansätzen. Schließlich sind die maßgeblichen Entscheidungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des spanischen Tribunal Supremo zu berücksichtigen.

Nelson Salazar Sánchez
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Nelson Salazar Sánchez wurde in Cajamarca (Peru) geboren. Von 1998 bis 2008 studierte er Rechtswissenschaft an der Universidad Nacional Mayor de San Marcos in Lima (Peru). Im Oktober 2009 absolvierte er das peruanische Staatsexamen und erwarb den beruflichen Titel „Rechtsanwalt“ an der Fakultät für Recht und Politikwissenschaft der Universidad Nacional Mayor de San Marcos mit der Gesamtnote „summa cum laude“.

Von 2008 bis 2010 arbeitete er als Assistent an der dortigen Fakultät. Seit dem Jahre 2003 ist Nelson Salazar Sánchez Koordinator der peruanischen Zeitschrift für Strafwissenschaften („Revista peruana de ciencias penales“), seit dem Jahre 2008 Direktor des Instituts für Strafrecht („Instituto de derecho penal“) in Lima (Peru).

Im August 2014 schloss er ein Postgraduiertenstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Erwerb des „Magister Legum“ (LL.M.) ab. Für die Ausarbeitung seiner Dissertation erhält er ein Stipendium vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Die Aufnahme in die Research School erfolgte im November 2015.

Dissertationsbetreuer:
Prof. Dr. Walter Perron