Nina Georgieva Nikolova

Whistleblowing als Ermittlungsmethode?

Eine rechtsvergleichende, theoretische und rechtstatsächliche Untersuchung am Beispiel Bulgariens und Deutschlands

Die Untersuchung befasst sich mit dem Phänomen Whistleblowing, das seit einiger Zeit als neue Ermittlungsmethode zum Zwecke der (anonymen) Informationsbeschaffung implementiert wird. Sie wird vor allem in den Bereichen der Wirtschafts- und Transaktionskriminalität eingesetzt; ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Korruptionsdelikten, die als ein „klassisches“ Beispiel gelten. Diese sind typische Kontrolldelikte und daher durch ein schwach ausgeprägtes Anzeigeverhalten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden charakterisiert. Darüber hinaus handelt es sich um eine marktförmige Erscheinungsform der Kriminalität. Weitere wesentliche Merkmale sind Definitions- und Strafverfolgungsschwierigkeiten, welche die Gewinnung von Informationen über kriminelle Handlungen besonders erschweren.

Gegenstand der Arbeit ist der systematische Einsatz von Informanten – Informanten als Wissensträger im allgemeinen Sinn – in den genannten Kriminalitätsbereichen für Strafverfolgungszwecke. Ausgangspunkt der Analyse ist die Abgrenzung des Whistleblowing von anderen Formen des Anzeigeverhaltens, insb. der regulären Anzeige, anonymen Anzeige, vertraulichen Anzeige, Online-Anzeige, etc. und die sich hieraus ggf. ergebenden Konsequenzen für die Rolle des Zeugen. Untersucht wurde ferner die Fragestellung des Anzeigens von Straftaten und insbesondere, wie das Anzeigeaufkommen gesteuert bzw. erhöht werden kann. Hierzu wurden Erkenntnisse aus dem Bereich der Individual- und der Organisationspsychologie miteinbezogen, anhand dessen die Einflussfaktoren – situations-, organisations- und personenabhängig – identifiziert und als Teile eines Mosaiks eines komplexen und vielschichtigen vernetzten Gebildes aufgefasst. Weiterhin wurde das theoretische Modell des Entscheidungsprozesses nach Lanate und Darley herangezogen, das für jeden potenziellen Whistleblower relevant ist und den gesamten Zusammenhang der einzelnen Faktoren verdeutlicht. Aus den Prozessmodellen bzw. den identifizierten Merkmalen, die zur Steigerung der Anzeigebereitschaft beitragen, lassen sich Handlungsvorschläge ableiten, wie diese gefördert werden könnte. Daran anschließend werden die rechtlichen Grundlagen untersucht, wie zivil- und insbesondere strafrechtliche Risiken für Personen, die über relevante Informationen verfügen. Hierzu gehören Anzeige- und Auskunftspflichten, Aufhebung strafrechtlicher Sanktionen bzw. zivilrechtlicher Haftungsfolgen, Senkung von Sorgfalts- und Haftungsmaßstäben, Geheimhaltung der Identität und Gewährleistung der Anonymität eines Hinweisgebers, denn die Motivation zu einer Informationsweitergabe wird möglicherweise durch die rechtliche Stellung potenzieller Whistleblower mitbeeinflusst. Dem Ziel des Whistleblowing-Ansatzes zur Steigerung des Anzeigeaufkommens entsprechend, setzten sich im Laufe der Zeit verschiedene Whistleblowersysteme in der Praxis durch. Diese wurden identifiziert und systematisch analysiert. Die Darstellung der Diskussionen über die Implementierung sowie die Anwendungsprobleme in den jeweiligen Ländern bilden einen weiteren Teil der Arbeit. Hinzu treten offensichtlich eine Neubewertung von heimlichen und täuschenden Ermittlungspraktiken im Allgemeinen sowie insb. eine Neubewertung von Informanten. Deutschland entwickelt Whistleblowersysteme aus einer demokratischen und rechtsstaatlichen Situation heraus. Bulgarien verändert sich aus einem autoritären System heraus, in dem Informanten offensichtlich eine gewisse Rolle spielten, und folgt dann internationalen und europäischen Trends, die offensichtlich die Rückkehr zu Informanten beinhalten. Anhand der Zusammenfassung und Bewertung der normativen und empirischen Ergebnisse folgen Vorschläge zur weiteren Gestaltung von Whistleblowing.

Nina Georgieva Nikolova
mail:

Nina Georgieva Nikolova wurde in Yambol (Bulgarien) geboren. Von 1995 bis 2001 studierte sie Rechtswissenschaft an der Technischen Universität in Warna, Bulgarien. 2001 absolvierte sie das Erste Juristische Staatsexamen und schloss ihr Studium mit dem Erwerb des Magisters ab.

Im Jahr 2002 wurde sie zum Studium an der Philologischen Fakultät mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache und 2004 zum juristischen Magisteraufbaustudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zugelassen .

Von Januar 2008 bis Mai 2009 war Nina Nikolova als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg angestellt.

Im Studienjahr 2009 beendete sie das Postgraduiertenstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit dem Erwerb des „Magister Legum“ (LL.M.).

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Juni 2009.