Dr. Julia Macke

UN-Sicherheitsrat und Strafrecht

Legitimation und Grenzen einer internationalen Strafgesetzgebung

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 249 Seiten; Berlin, 2009
  • ISBN: 978-3-86113-848-8
  • Preis: 41 EUR / 64 sFr

Der seit den Anschlägen des 11. September 2001 geführte Kampf gegen den Terror hat auch zu einer immer stärkeren Internationalisierung von Strafrecht geführt. Ein neuer Akteur ist dabei der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der in zunehmendem Umfang durch rechtsverbindliche Resolutionen nationales Strafrecht prägt und so zur Internationalisierung von Strafrecht beiträgt.

Besonders in den Resolutionen 1373 (2001) und 1540 (2004) hat der Rat Gesetzgebungsaktivitäten im Bereich des Strafrechts entwickelt und erstmals die derzeit 192 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet, bestimmte Straftatbestände in ihr nationales Strafrecht aufzunehmen. So statuiert beispielsweise Resolution 1373 (2001), dass „alle Staaten die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar, durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass diese Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen“ müssen. Darüber hinaus verhängt der Rat selbst punitive Sanktionen gegen Individuen, Gruppen und Organisationen. Die Resolutionen 1267 (1999), 1333 (2000) und 1390 (2002) bestimmen, dass alle Staaten Gelder und andere Finanzmittel derjenigen Personen einzufrieren und sicherzustellen haben, die als mutmaßliche Terroristen auf einer sogenannten blacklist geführt werden. Außerdem müssen sie Reisebeschränkungen gegen diese Personen verhängen. Die Liste, auf der die Sanktionsadressaten stehen, wird durch einen vom Rat eingerichteten Sanktionsausschuss erstellt, verwaltet und regelmäßig aktualisiert. Damit hat der Rat zugleich selbst die Verfahrensstrukturen zur Verhängung der Sanktionen geschaffen. Auch wenn diese Resolutionen Vertreter des öffentlichen Rechts bereits seit geraumer Zeit beschäftigen, sind sie im Hinblick auf ihren vorhandenen strafrechtlichen Inhalt bislang noch nicht untersucht worden. Die daher vorgenommene strafrechtliche Analyse hat ergeben, dass der Sicherheitsrat – obwohl er nach klassischem Verständnis eigentlich als Exekutivorgan der Vereinten Nationen gilt – nunmehr auch legislative und judikative Kompetenzen im Bereich des Strafrechts in Anspruch nimmt. Die Arbeit stellt dar, dass die UN-Charta – und insbesondere ihr Kapitel VII – jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage für derartige Maßnahmen des Rates, vor allem nicht im Bereich des Strafrechts ist.

Die untersuchten Maßnahmen des Rates sind daher nach den Ergebnissen der Arbeit ultra vires. Zudem haben die Vereinten Nationen, die vor allem wegen der Inanspruchnahme legislativer und judikativer Kompetenzen durch den Sicherheitsrat verstärkt supranationale Züge aufweisen und nicht nur deshalb demokratisch legitimiert sein müssen, zahlreiche Demokratiedefizite: Die Vereinten Nationen verfügen bspw. über keine echte parlamentarische Dimension, es mangelt den Entscheidungsprozessen an Transparenz, ein öffentlicher Meinungsbildungsprozess fehlt. Insofern ist das legislative und judikative Auftreten des Sicherheitsrates im Bereich des Strafrechts auch unter dem Gesichtspunkt der derzeit fehlenden, aber notwendigen demokratischen Legitimation der Vereinten Nationen äußerst fragwürdig. Solange hier keine Abhilfe geschaffen wird, sollten der Handlungsspielraum des Rates und sein Mandat zum Erlass bindender Resolutionen daher zukünftig reduziert, jedenfalls aber nicht erweitert werden. Die Weltgemeinschaft wie auch die Vereinten Nationen selbst können es sich überdies nicht länger leisten, sich den – nicht nur deshalb – dringend angezeigten Reformen weiter zu verschließen, da andernfalls die Organisation, ihr Ansehen in der Welt und ihre Glaubwürdigkeit dauerhaft Schaden nehmen werden.

Dr. Julia Macke

Dr. Julia Macke wurde in Emmendingen geboren. Von 1998 bis 2003 studierte sie Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie wurde von der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie von e-fellows gefördert.

Nach der Ersten Juristischen Staatsprüfung im Juni 2003 leistete Julia Macke bis 2005 das Referendariat in Freiburg ab, das sie mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen abschloss. Währenddessen war sie als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft in der Abteilung für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie bei Prof. Dr. Frisch tätig.

Von 2005 bis 2008 war sie am Max-Planck-Institut im Referat Europäisches Strafrecht tätig. Die Aufnahme in die Research School erfolgte im April 2007. Ihre Promotionsarbeit wurde 2009 abgeschlossen.