Dr. Emmanouil Billis, LL.M.

Die Rolle des Richters im adversatorischen und im inquisitorischen Beweisverfahren

Modelltheoretische Ansätze, englisches und deutsches Beweisführungssystem, internationalrechtliche Dimensionen

Status

Das Projekt ist abgeschlossen

Publikation

  • 503 Seiten; Berlin, 2015
  • ISBN: 978-3-86113-804-4 (Max-Planck-Institut)
  • Preis: 44 EUR

Auszeichnung mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft für hervorragend qualifizierte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und dem Otto-Hahn-Award.

Zur Lösung von sozialen Konflikten müssen Lehre, Justizpraxis und Rechtspolitik fortwährend für die Bereitstellung von funktionsfähigen strafprozessualen Mechanismen sorgen. In diesem Kontext und im Hinblick auf die Entwicklung von Grundlagen für neue (alternative) Prozessformen hat die rechtsvergleichende Forschung einen besonderen analytischen Wert. Die sinnvolle Implementierung von Elementen fremder Rechtssysteme auf nationaler Ebene und die reibungslose Verwirklichung der Ziele der internationalen Strafjustiz setzen mit Blick auf das Normensystem ein wechselseitiges Grundverständnis zwischen den Rechtsordnungen unterschiedlicher Rechtstraditionen voraus. Demgemäß befasst sich auch die rechtsvergleichende Grundlagenforschung mit diversen Dynamiken in der Beziehung zwischen westlichen Strafrechtssystemen und mit Fragen zur Inter-, Trans- und Supranationalisierung des Strafrechts. Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob die jüngeren Entwicklungen in den Rechtssystemen angloamerikanischer und kontinentaleuropäischer Prägung die Konvergenz, die Durchmischung oder eher die Divergenz der unterschiedlichen Strafverfahrensformen und Justizinstitutionen andeuten.

Die vorliegende rechtsvergleichende Arbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Beweisstrukturen, die in nationalen und internationalen Strafrechtssystemen westlicher Prägung zur Aufklärung eines streitigen Sachverhalts bestehen. Sachlicher Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Unterscheidung zwischen angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Verfahrenstraditionen sowie die in Praxis und Lehre weitverbreitete Gegenüberstellung der Begriffe „adversatorisches“ und „inquisitorisches“ Straf- bzw. Beweisverfahren, deren einzelne Bestandteile bisher nicht in klarer und allgemein anerkannter Weise bestimmt worden sind. Die generellen Ideen hinter derartigen schematischen Gegenüberstellungen werden in der Arbeit in logisch-systematischer Weise aufgearbeitet. Dabei werden die determinierenden Elemente der Unterscheidung zwischen Idealtypen des Strafverfahrens identifiziert. Diese Vorgehensweise dient zugleich der funktionalen Rechtsvergleichung als Forschungsmethode.

Die herrschenden Abgrenzungen zwischen zentralen „Modellen“ und ihre essenziellen Elemente werden insbesondere in Bezug auf das gerichtliche Beweisverfahren erst abstrakt und dann konkret anhand der englischen und der deutschen Rechtsordnung sowie im Hinblick auf internationalrechtliche Entwicklungen (EGMR, IStGH) näher untersucht. Zentraler Ausgangspunkt für die abstrakt-theoretischen Untersuchungen und die daran anschließenden konkreten rechtsvergleichenden und klassifizierenden Analysen ist die Entwicklung von reinen (Beweis-)Verfahrensmodellen. Für die Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen westlichen Systemen mit ihren vielfältigen kulturellen, politischen und rechtlichen Konvergenzen und Wechselwirkungen wird somit ein zweckmäßiger Analyserahmen auf der Basis bestimmter prozessualer Ideale gewährleistet. Dieser trägt insbesondere zur vertieften Untersuchung der Unterschiede von bestimmten beweisstrukturellen Aspekten des Strafprozesses und ihrer Ziele, zur Ermittlung der Effektivität der diversen zur Feststellung der Schuld angewandten Methoden sowie zur Bestimmung von Leitsätzen für die Annäherung der Rechtssysteme bei.

Die Dichotomie zwischen common law- und civil law-Strafverfahrenstypen betrifft unter anderem die unterschiedliche strukturelle Ausgestaltung des Beweisverfahrens. Den Kern dieser Forschungsarbeit bilden die heuristische Zusammenstellung von analytisch wertvollen, extremen Prozesstypen und die rechtsvergleichende Modellanwendung mit Blick auf das nationale (englische und deutsche) sowie das internationale (EGMR, IStGH) Straf- und Beweisverfahrensrecht.

Dr. Emmanouil Billis, LL.M.

Dr. Emmanouil Billis wurde 1983 in Athen (Griechenland) geboren. Nach Absolvierung der Deutschen Schule Athen studierte er von 2001 bis 2005 Rechtswissenschaft an der Demokritos Universität Thrazien. Von 2005 bis 2007 absolvierte er seine Referendarzeit; seit August 2007 ist er als Rechtsanwalt in Athen zugelassen. Von 2005 bis 2008 studierte Emmanouil Billis an der juristischen Fakultät der Universität Athen im Rahmen des Master-Programms der strafrechtlichen Abteilung. Von 2009 bis 2010 nahm er am LL.M.-Programm der Universität Bonn teil, welches er mit einer Magisterarbeit aus dem Bereich Verfahrensrechte und Europäische Menschenrechtskonvention erfolgreich abgeschlossen hat.

Seit September 2010 ist Emmanouil Billis als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Internationales Max-Planck-Informationssystem für Strafrechtsvergleichung am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht tätig.

Die Aufnahme in die Research School erfolgte im Juni 2013. Seine Promotion schloss Emmanouil Billis im November 2014 ab.